Die erste sozialistische Straße in Deutschland ist sicher beeindruckend - man kann nicht anders, als sich klein zu fühlen, wenn man an den prächtigen Wohnblöcken vorbeigeht, die im Stil des sogenannten sozialistischen Klassizismus gebaut wurden. Die Straße, die als Hauptprojekt des ostdeutschen Wiederaufbauprogramms nach dem Zweiten Weltkrieg geplant war, entstand aus den Trümmern mit Hilfe von Tausenden von Freiwilligen, die Tag und Nacht arbeiteten. Doch der Bau der Straße hätte das junge Ostdeutschland fast seine Existenz gekostet. Im Juni 1953 begannen verärgerte Arbeiterinnen und Arbeiter einen Massenaufstand, der die sozialistische Regierung fast zu Fall gebracht hätte.
Die Geschichte der Straße reicht weiter zurück, als die majestätischen Gebäude aus den 1950er Jahren vermuten lassen. Die modernistische Architektur der unmittelbaren Nachkriegszeit erinnert an die utopischen urbanistischen Ideen, die in der Asche des zerstörten Berlins geboren wurden. Später wurden diese Gebäude absichtlich durch schnell wachsende Pappeln vor Passanten versteckt. Das neue ostdeutsche Regime lehnte diesen Stil ab und hatte eine radikal andere Vorstellung davon, was sozialistisches Leben bedeutet.
In der Straße gab es das Beste, was Ostberlin zu bieten hatte - Cafés, Restaurants und gut sortierte Geschäfte, die ein Bild von idyllischem Leben und Wohlstand im Sozialismus vermittelten. Doch hinter der perfekten Fassade blieb die Realität des Überwachungsstaates gut verborgen. Die Abhörgeräte in den Wohnungen und die Abhörstationen auf den Dachböden, die von der ostdeutschen Geheimpolizei benutzt wurden, sollten nicht gesehen werden.
Nach dem Fall der Mauer schien diese Straße in Vergessenheit zu geraten, denn sie war baufällig und wirkte zunehmend wie eine Kuriosität aus der Vergangenheit. Aber in Berlin ist nichts beständig, und es dauerte nicht lange, bis diese Straße die Aufmerksamkeit von Immobilienmaklern in einer Stadt mit einer Wohnungskrise auf sich zog. Die ehemalige Stalinallee ist zwar nicht mehr der Boulevard für sozialistische Aufmärsche, aber sie ist jetzt eine Bühne für Proteste der Anwohner gegen die Gentrifizierung und den Anstieg der Lebenshaltungskosten.